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Die Gretchenfrage
Lohnt es sich überhaupt ein Boot selbst zu bauen? |
Die Antwort: NEIN !
Ich hatte mir anfänglich ein Limit von ungefähr 100,- Euro gesetzt, was der Bau des Faltbootes verschlingen durfte. Teile des Holzes habe ich vom Sperrmüll mitgenommen, Schrauben hatte ich noch in rauhen Mengen im Keller liegen, ebenso Cordura-Stoff, Seile, D-Ringe, Gurtmaterial. Dieses Material war von vornherein mit eingeplant und wird im Wert wahrscheinlich noch einmal etwa 100,- Euro ausgemacht haben.
Natürlich habe ich dieses Limit gebrochen. Allein die Bootshaut hat mindestens 150,- Euro verschlungen: PVC-Plane, Markiesenstoff, Nähgarn, Saumband, Pattex, Aceton, Pinsel, die man anschließend wegwerfen konnte...Wieviel ich am Ende tatsächlich ausgegeben habe vermag ich nicht zu sagen - ich habe nicht Buch geführt.
Für das Geld, das der Bau verschlungen hat, hätte ich mir aber ohne weiteres ein sehr schönes gebrauchtes Faltboot kaufen können. Über Kleinanzeigeninserate, Ebay, diverse Internet-Foren kann man ohne weiteres Kontakt zu potentiellen Verkäufern aufnehmen. Wenn man sich regional beschränkt kann man vor dem Kauf meist auch einen Besichtigungstermin vereinbaren. Man bekommt ein fertiges Boot, und mit etwas Zubehör kann man gleich nach dem Kauf in See stechen.
Fast ein Jahr lang lag das halbfertige Boot in meinem Flur liegen. Ich hatte Staub und Sägespäne in in der Küche, im Bad, in Wohn- und Schafzimmer. Über zwei Monate hat es in meiner Bude nach Farbe gestunken, vom Pattex und Aceton möchte ich gar nicht reden. Ständig mußte ich in den Baumarkt und mal dieses, mal jenes benötigte Teil besorgen.
Anstatt an einem schönen sonnigen Frühlingsmorgen das Boot zum Wasser zu tragen und eine nette Tour zu unternehmen, bin ich morgens über irgendwelche Gerüstbauteile gestolpert und habe das Wochenende mit dem Konstruieren verbracht; von einem Naturerlebnis keine Spur.
Ich habe mein Boot nicht nach einer fertigen Bauanleitung gebaut, sondern mir alles bis ins kleinste Detail selbst ausgedacht. Das hatte Folgen. Quadratische Senten haben sich als Mist erwiesen, Sperrholzbretter vom Sperrmüll lösten sich bei Wasserkontakt langsam auf, die zuerst verwendete Farbe klebte - obwohl durchgetrocknet - an der LKW-Plane. Und als das Boot endlich fertig war konnte ich gleich damit anfangen, die Hälfte der Gerüstteile noch einmal zu bauen. Schlimmer noch war die Enttäuschung über die mangelnde Stabilität der LKW-Plane. Zwar ist das Boot jetzt in einem durchaus befriedigendem Zustand, alle Mängel sind abgestellt, aber es hat doch Nerven gekostet.
Nein, es lohnt sich wirklich nicht, ein Boot zu bauen. Kaufe dir ein gebrauchtes oder meinetwegen ein neues Boot, fahre hinaus in die Welt und erlebe Abenteuer. Entscheidest du dich trotzdem, ein Boot zu bauen, stelle dich darauf ein, dass du als Sonderling verspottet wirst und bald kaum noch Freunde hast. Hast du ein Boot, so kannst du das Leben genießen. Baust du ein Boot, so kann es passieren, daß du das Leben verpasst.
Lass es bleiben!
Die Antwort: Ja !
Ein Boot selbst zu bauen war für mich einfach eine Herausforderung, der ich mich gerne stellen wollte. Ein neues Boot war mir über viele Jahre immer zu teuer. Dann kam hinzu, daß mir wesentliche Informationen über Faltboote einfach fehlten. Ich hatte keine Ahnung von verschiedenen Herstellern, Typen, von Vor- und Nachteilen der Boote, von Fahreigenschaften, Materialien, Funktionsweisen, Gewicht - kurzum allem.
Allerdings gab es in meinem Kopf eine konkrete Vorstellung von dem, was ich mit so einem Boot anstellen wollte. Die Literatur zum Thema Faltboot ist relativ begrenzt, bei den meisten Büchern handelt es sich um Reiseberichte, meist mit Expeditionscharakter. Und solche expeditionsartigen Reisen wollte ich gerne unternehmen! Aber Bücher über den Bau von solchen Booten sind mir lange Zeit gar nicht in die Finger gekommen.
Der maßgebliche Schrittmacher für den Selbstbau eines Bootes war das Internet. Schon bald nachdem ich mir meinen ersten Internet-Zugang besorgt hatte, stieß ich auf das Faltbootforum und konnte mich nun eingehend in die Faltbootmaterie einlesen.
Hier entdeckte ich auch Links und Hinweise auf Internetseiten von Menschen, die sich ihre Boote selbst gebaut hatten. Auf die Idee, ein solches Boot selbst zu bauen bin ich allerdings erst gekommen, nachdem mir Christian Wagner ein paar Fotos von seinem ersten Selbstbauversuch zeigte. Und da dachte ich mir: "Das kann ich auch!"
Mir all die nötigen Informationen anzueignen, erste Entwürfe anzufertiggen, Detaillösungen zu erarbeiten, geeignete Materialien zu beschaffen - all das zu einem funktionstüchtigen Ganzen zusammenzufügen, um sich damit anschließend einen langgehegten Traum zu verwirklichen, das ist eine Aufgabe, an der ein Mensch wachsen und reifen kann.
Sich an einem schönen Sommertag paddelnd auf einem kleinen Fluß oder in den Schären wieder zu finden - vielleicht auch zu sich selbst zu finden - dafür lohnt es sich, ein Boot selbst zu bauen. Dieses Gefühl kann einem kein gekauftes Faltboot vermitteln.
Jens
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